Beitrag zur AF in IF-16-4.

Messe Euromold 2016

Die Verschmelzung klassischer Branchen auf Basis neuer Technologie

Die Euromold - bekannt als die Präsentationsplattform des klassischen Form- und Werkzeugbaus trat dieses Jahr in einem neuen Kleid  auf.  Sie bot sich diesmal in enger Verbindung mit  der Airtec, einer auf die Luftfahrttechnik  konzentrierten Messe dar. Im Grunde war sie dort so etwas wie ein Untermieter. Und nach Frankfurt und Düsseldorf ging es diesmal nach München.  Bei diesem ersten gemeinsamen Auftritt war das Gesicht der Messe deshalb noch etwas unscharf. Da wird es in den  nächsten Jahren darum gehen, das Profil der gemeinsamen Darstellung  noch besser heraus zu arbeiten  und klarere Konturen zu entwickeln.

Das Zusammengehen ist technisch und wirtschaftlich plausibel

Sachlich ist die Annäherung beider Bereiche  mit dem Aufkommen der additiven Fertigung (AF, besser bekannt als 3D-Druck von Produkten) auch verständlich und sogar geboten. Denn gerade die Luftfahrttechnik ist gegenwärtig einer der Haupttreiber, um eine deutlich höhere industrielle Reife im Sinne der Standardisierung und Automatisierung der Prozessschritte in der AF zu erreichen. Die zur Zeit noch höheren  direkten  Kosten und längeren  Produktionszeiten im Vergleich zu den hoch effektiven Dreh-, Fräs- und Bohrtechniken relativieren sich bei einer Kalkulation über  den gesamten Lebenszyklus der Flugzeuge. Die z.B. in Bezug auf den Kerosineinsatz erzielbaren Kosteneinsparungen  sind in diesem oft  10-15 oder auch 20  Jahre dauernden Zeitrahmen  gerechnet so hoch, dass die höheren direkten Herstellkosten die Größe der bekannten Peanuts einnehmen.Auch im begleitenden Kongressprogramm dominierten die luftfahrttechnischen Themen bis hin zu den verschiedenen Formen der unbemannten Flugobjekte und den damit verbundenen Problemen. Hier gab es für  den darauf ausgerichteten Besucher sicher eine überwältigende Fülle an Themen.

Der Blick in die USA zeigt die wachsende Dynamik in der breiteren Anwendung der AF

3D-Polymerdrucker. Foto: InnoFoLS

Aber auch die AF-Seite  war im Kongressprogramm interessant besetzt. Ebenso wie in der Luftfahrttechnik war auch hier ein aufmerksamer Blick in die USA möglich, da das US-Programm zur Re-Industrialisierung der amerikanischen Wirtschaft in seiner strategischen Breite und Bedeutung ebenso deutlich beschrieben wurde wie die differenzierte Arbeitsteilung und  Kooperation zwischen  staatlichen Stellen, dem Wissenschaftssektor und großen wie auch mittleren Firmen. Die AF nimmt in diesem Prozess eine wichtige Schlüsselstellung ein. Das wurde auch äußerst plakativ unterstrichen durch die am vorletzten Messetag eingehende  Nachricht, dass der US-Konzern und Siemens-Rivale General Electric (GE) nach einem gescheiterten ersten Versuch der Übernahme eines deutschen Herstellers von professionellen 3D-Druckern für metallische Produkte  (SLM SOLUTIONS) jetzt ein anderes Unternehmen aus der Spitzengruppe der deutschen 3D-Drucker-Hersteller für rd. 550 Mio. € gekauft hat (75% an der Fa. Concept Laser GmbH in der Nähe von Coburg). Damit tritt auch die auf metallische AF ausgerichtete Technik in einen sich immer mehr beschleunigenden Prozess aus dem Entwicklungsstadium heraus und hinein in ihre Nutzung für größere anspruchsvolle industrielle Serienproduktionen.

Sintratec S1. Foto: InnoFoLS

GE soll bis zum Jahr 2020 bei der in AF-Technik hergestellten Einspritzdüse für Flugzeugtriebwerke einen Bedarf in der Größenordnung von 100.000 Stück haben. In diesem Zusammenhang steht die Übernahme des deutschen und weiterer Unternehmen. Dieser Entwicklungsdruck ist aber auch in Europa schon wirksam. So hat z.B. Siemens eine fluid-gekühlte Brennerspitze für Kraftwerke mit Hilfe der AF-Technik entwickelt, bei der der Materialaufwand um 85%, der Zeitaufwand zur Herstellung  und Wartung um 80% und die Kosten um 70% gesenkt werden können. Gleichzeitig steigt die Lebensdauer um den Faktor  5 – 8.Dies wird der Standardisierung und Automatisierung der AF-Technik großen Auftrieb geben und es wird auch die Kosten der neuen Produktionsweise senken.

Ein weiterer Ansatz zur Popularisierung der neuen Technologie mit weitreichenden Folgen: Radikale Preissenkung bei professionellen Druckern

3D-Polymerdrucker "RTA 500". Foto: InnoFoLS

In diesem Zusammenhang war ein Exponat auf der Messe  interessant, das von einer anderen Seite her die breitere und schnellere Anwendung der AF-Technik signalisiert: Das Schweizer Start-Up Sintratec stellte den schon in einem Dauerbetrieb funktionsfähigen Prototypen ‚Sintratec S1‘ vor: Ein professioneller Polymer-3D-Drucker auf der Basis der Pulverbett-Technologie zum kaum glaublichen Preis von 20.000 € (Vorgestellt vom deutschen Vertriebspartner PICCO’s 3D World GmbH). Er soll nach Aussage des Anbieters leistungsmäßig in die Klasse der Drucker hineinstoßen, für die im Moment noch gerne ein sechsstelliger Betrag gezahlt werden muss. Ein solcher Preiseinbruch wird die Bereitschaft auch mittlerer und kleiner Unternehmen erhöhen, sich intensiver mit dieser Herstellungsweise zu beschäftigen. Das kann dann die Grundlage für die Produktion derartiger Drucker in großen Stückzahlen sein – was dann eine entsprechende  Nachfrage- und Preisentwicklung bei der Hardware  wie  auch bei entsprechenden Dienstleistungen bewirken wird. Damit wird die schnellere Verbreitung dieser Technologie also von zwei Seiten befeuert.

Viele wichtige Aufgaben müssen aber noch gelöst werden.


Ein Produkt der oben gezeigten großen 3D-Polymerdrucker. Foto: InnoFoLS

Das heiß natürlich nicht, dass die immer noch bestehenden großen Aufgaben gerade im metallischen Bereich des 3D-Drucks mit leichter Hand gelöst werden können,  wie das größere Angebot von Metallpulvern, vor allem auch die Frage einer kontinuierlichen und automatisierten Qualitäts-kontrolle und –sicherung.  Aber die beiden oben genannten Tendenzen werden die schon begonnenen Arbeiten in diese Richtung schneller und entschiedener vorantreiben.Auf der Mitte November in Frankfurt stattfindenden nächsten großen Messe zur Additiven Fertigung, der ‚formnext‘, werden eine Reihe weiterer Neuentwicklungen erwartet, die in einigen Fragen auch schon wieder einen neuen Stand der Technik definieren werden. Das IF wird darüber in der ersten Ausgabe in 2017 informieren.

  • Dr. Lutz Schröter